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Ein Haus mit vielen offenen Türen

Bei Günter German hört man sich noch gerne und lange zu - Gasthaus wird nicht vermißt
mit freundlicher Genemigung
Öffentlicher Anzeiger
1994 05 01 thumb
Hier ist noch Zeit für lange Gespräche. In der guten Stube des Ortsbürgermeisters trifft sich das Dorf. Bei Germanns geht’s unkonventionell zu.
Foto: Brita Rosenberg

01. 05. 1994 - BÄRWEILER

Ein Besuch in der "guten Stube" von Bärweiler -dem Heim des Ortsbürgermeisters

Früher, als es noch keine Fernseher gab - und keine Autos und keine   Homecomputer, früher, da saßen die Menschen viel öfter einfach beieinander. Sie trafen  sich in den Gasthäusern, oder, wenn es keine Gasthäuser gab, eben in der guten Stube des Nachbarn. Und dort wurde geklatscht, getratscht, gelacht, getrauert.
So manch einer denkt mit nostalgischen Gefühlen an diese Zeit zurück. Oder aber er findet auch heute noch einen Ort, an dem man sich so richtig gerne und in Ruhe zuhört - wie das Heim des Bärweilerer Ortsbürgermeisters Günter Germann.
Ein Gasthaus fehlt schon lange in der kleinen Gemeinde. Aber wozu brauchen die Bärweilerer ein Gasthaus, wenn sie die „gute Stube” ihres Ortsbürgermeisters haben.
Hier geben sich die Dorfbewohner die Klinke in die Hand, tauschen Neuigkeiten aus, hier pulsiert das Gemeindeleben. Anklopfen ist unnötig, die Tür steht offen — und jeder ist in der gemütlich-warmen Küche willkommen. Da wird der hungrige Gast auch schon mal zum Essen oder einem Bierchen eingeladen. Bei Germanns geht’s unkonventionell zu, ohne überflüssige Etikette.

Zuweilen fliegt auch schon mal die Tür auf und ein Gast steigt in grüner Kluft und mit  schmutzigen Gummistiefeln über die Schwelle. Ich kann mich noch gut an ein Mittagessen erinnern, als ein Mann im Kittel „Wo ist die Sau” rief, sich unbekümmert eine Frikadelle vom Tisch nahm und die gute Küche lobte. Außer mir schien niemand irritiert. "Das ist der Tierarzt", beruhigte mich der Ortsbürgermeister.

Später wurden dann Geschichten und Sagen erzählt. Eine, sie soll sich wirklich so oder ähnlich zugetragen haben, handelte von dem legendären Räuberhauptmann "Schinderhannes": Der ritt eines Tages zu einem Mann am Bärweilerer Gemarkungsteil "Süßenrech", der ganz alleine auf dem Feld arbeitete. Schinderhannes kam auf ihn zu und sprach: "Ich weiß, daß du Geld zu Hause hast, und ich brauche 50 Taler. Hol es. Die nächste Woche, zur gleichen Zeit am gleichen Ort, bringe ich dir dein Geld wieder." Der Angesprochene zitterte am ganzen Leib. Ihm blieb nichts übrig, als dem Schinderhannes die gewünschte Summe zu geben. Doch eine Woche später kam der gefürchtete Räuber tatsächlich wieder. "Hier sind deine versprochenen 50 Taler", sagte er und verschwand im nahegelegenen Wald.
Danach weihte mich der Ortsbürgermeister in eine Sage ein: Ihr zu folge soll früher das Bärweilerer Land ganz unter Wasser gestanden haben. Erst als die Fluten zurück gingen, kam der Langenstein zum Vorschein. Darauf sollen Nixen gelegen und sich gesonnt haben. Eines Tages sind sie nach der Sage dann für immer im Felsen verschwunden. Dort sollen sie noch heute leben. Wer sie besuchen will, heißt es in Bärweiler, muß zum den felsigen Wahrzeichen der Gemeinde wandern. Dort kann er sie belauschen und vielleicht auch beobachten.

Wie selbstverständlich der Umgang bei Germanns vonstatten geht, zeigt der Besuch der Landfrauen wenig später. Ohne zu fragen holt eine von ihnen den Schlüssel für das Bürgerhaus vom Haken, um es für die Gymnastikstunde aufzuschließen. Auf dem Weg dorthin nimmt sich die Frau dann noch eine Kanne frischer Kuhmilch mit, die auf der Truhe steht. Die andern plaudern mit Elfriede Germann übers Strikken, Spinnen, die Seidenmalerei und den Volkstanz, der bald zu sehen sein wird. Günter Germann schenkt Wein aus, die Stimmung ist heiter. Schließlich verschwindet der Ortsbürgermeister in Richtung Kuhstall. Als Landwirt muß er das Vieh füttern.

Später, beim Nachhauseweg, dachte ich: Wie gut, daß die Bärweilerer kein Gasthaus haben.

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