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Keine Angst vor Knöpfchen und der Maus

Weitblick Annerose Schlarb und einige Senioren aus Bärweiler üben sich seit Jahren im Mailen und Googeln am Computer
mit freundlicher Genemigung
Öffentlicher Anzeiger
2014 01 09
Hausbesuch: Annerose Schlarb (77) in ihrem kleinen Wohnzimmer mit ihrer Tastatur und dem Bildschirm. Vor rund zwei Jahren hat sie begonnen zu lernen, wie man einen Computer bedient. Nein, ein Profi ist sie nicht. Aber sie weiß sehr genau, wie man Mails schreibt oder googelt. Foto: Stefan Munzlinger

09.01.2014 - Bad Sobernheim
von Stefan Munzlinger

VG Bad Sobernheim - Senioren und Computer? Geht nicht. Sagen viele alte Menschen, doch: „Wer eine Waschmaschine bedienen oder ein Auto fahren kann, kann auch einen PC zu steuern", meint Annerose Schlarb aus Bärweiler. Vor rund zwei Jahren hat die 77-Jährige Witwe ihren ersten Computer-Kurs im Gemeindehaus belegt und ist seither angetan von einem Medium, dem für manche ihrer Gleichaltrigen noch immer der Nimbus des nicht mehr Beherrschbaren anhaftet.

Völlig zu unrecht, wie auch Simone Kehl von der VHS Bad Sobernheim und Renate Weingarth-Schenk, Ortsbürgermeisterin und VBW-Chefin in Meddersheim, finden. Beider Erfahrung belegt: Solche Kurse sind bei weltoffenen, interessierten Senioren, auch ohne Englischkenntnisse, stets gefragt.

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"Unsere Bärweilerer Homepage ist richtig gut."
Seniorin Annerose Schlarb (77) lobt den
Internetauftritt ihrer Heimatgemeinde.
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Vordergasse 13 in Bärweiler. Durch die Haustür, und links rein ins kleine Wohnzimmer von Annerose Schlarb. Wo bei anderen die Kommode mit Paradekisschen, Püppchen oder mannigfaltig verzierten Porzellanfiguren – Geburtstort: Drosselgasse – stehen, ist bei ihr ein schlichter weißer Schreibtisch zu finden. Drauf ein Bildschirm und ein Rechner, die Computermaus und ihr Pad. Ungewohnt. Frau Schlarb hat ihren PC eingeschaltet, alles gut. Da, ein Problem: Word ist weg. „Wo habe ich das denn hinverschoben?", überlegt sie rätselnd, „habe ich etwa aus Unachtsamkeit die Verknüpfung aufgelöst?"

Gemeinsam begeben wir uns auf die Suche, aber: nichts zu machen. Word ist wirklich weg. Das vertraute Textverarbeitungsprogramm ist spurlos verschwunden, etwa im virtuellen Papiereimer? Nein.

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"Traut euch ruhig, das ist doch kein Hexenwerk.”
Gerne ermuntert Arnerose Schlarb andere Senioren,
es ihr gleich zu tun: "Nur Mut."
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In irgendeinem Unterordner auf dem Desktop. Auch nicht. „Macht nichts", gibt sie schließlich findig auf, „ich kann ja auch mit OpenOffice schreiben."
Gerade hat sie den Bärweilerer Alt-Ortsbürgermeister Günter Germann „gegoogelt" und dann die Internet-Seite ihrer Heimatgemeinde aufgemacht: „Unsere Homepage ist richtig gut", urteilt die Seniorin, die sich wie selbstverständlich den Fachbegriffen des Computer-Universums bedient.
Doch bleibt es für sie nicht bei Zufallsgoogeln oder Spaß-Surfen; das alleine mache es nicht. Sie nutzt ihren Computer wenigstens alle zwei Tage, um sich mit ihren Mitstreitern des PC-Kurses kurzzuschließen oder nachzuschauen, ob sie was gemailt haben: beispielsweise Gedichte oder Fotos in der vergangenen Weihnachtszeit.

Starkes Interesse von Anfang an: Volkshochschule für Stadt und Dörfer vermittelte Hunderte von Senioren PC-Wissen

„Learning bei Doing" – für Simone Kehl (54), die seit 1990 die Volkshochschule von Stadt und Verbandsgemeinde Bad Sobernheim leitet, gibt es nur einen Weg, wie Senioren sich auf den Umgang mit Computern zubewegen können: lernen im praktischen Tun und Üben.
Eine Vorreiterrolle habe da sicher Renate Weingarth-Schenk vom Volksbildungswerk Meddersheim übernommen. Ihre gut besuchten EDV-Kurse waren von Anfang an bei älteren Menschen, die diese Medien reizten und etwas Neues lernen wollten, gefragt. Gerne erinnert sich die Meddersheimer Ortsbürgermeisterin an ihre stark frequentierten Kurse in den Sobernheimer Schulen. Hunderte von Senioren habe man fundiertes PC-Wissen vermitteln können; darunter Mitbürger bis zu 80 Jahren. In populären Programmen habe man sie geschult oder Internet-Kurse angeboten:
„Praxis, keine Theorie", sei dabei die Maßgabe geblieben; es galt, die Kursteilnehmer nicht mit komplizierten Fachbegriffen und technischen Hintergründen zu langweilen, sondern ihnen rasch ein Erfolgserlebnis am Computer zu bescheren.
Das gilt auch heute noch, wenngleich die Zahl der Kurse zurzeit aus organisatorischen Gründen etwas zurückgefahren sei. Bei entsprechender Resonanz können sie wiederbelebt werden. Mit einer Studiendirektorin der Kreuznacher Berufsbildenden Schule (BBS) arbeite man zusammen. Wichtig, das betonen Renate Weingarth-Schenk und Simone Kehl, sei der Kursleiter. Der müsse ein Händchen für ältere Menschen und dafür haben, wie man ihnen solche Inhalte vermittele. Zwei Zeitungsartikel hätten sie damals auf die Idee gebracht, Computer-Kurse für Teilnehmer „50plus" anzubieten, denn der Begriff sollte nicht abschrecken: „Ich wollte diese Kurse damals bewusst nicht Senioren-PC-Kurse nennen. Ab wann fühlt man sich als Senior? Heute kaum unter 70 Jahren", sagt die VBW-Leiterin.
Ab Frühjahr 2001 wurde zu den PC-Stunden in die damaligen Real- und Hauptschulen eingeladen. Erste Kursleiterin war Oberstudienrätin Gabriele Eigendorf, ebenfalls Lehrerin an der BBS Kreuznach und am Pädogischen Zentrum. In den ersten Jahren gab es neun Kurse pro Jahr, im Schnitt mit zwölf Teilnehmern. Zum Auftakt gab es eine Bestätigung „Grundlagenkurs Microsoft Windows/Mircrosoft Word. Stefan Munzlinger

Wer neue Senioren-Computer-Kurse mit seinem Interesse mitinitiieren möchte, kann sich bei VHS-Leiterin Simone Kehl melden: Telefon 06751/811 17; dienstags, mittwochs und freitags von 9.30 bis 12.30 Uhr und außerdem an Donnerstagen von 15 bis 18 Uhr.

Jörg Theobald, Bärweilerer Bürger und bei einem Kreditinstitut der Region beschäftigt, hat Ortsbürgermeister Hans Gehm schon vor Jahren uneigennützig versprochen, solche kostenlosen Kurse für alte Menschen im Dorf anzubieten – und sein Versprechen gehalten.
Immer wieder treffen sich Annerose Schlarb, Friedel Schneberger (78), Maria Bartels (83), Hildegard Schmitt (77), Anneliese Greulach (73) und Hilde Wendel (71) im Obergeschoss des Gemeindehauses. Dort stehen sechs ältere Rechner, an denen die Senioren mit Jörg Theobald zusammen üben.
„Momentan haben wir keine Treffen, denn im Saal ist es zu kalt – und eigens für die Kurse heizen? Nein", zeigt Annerose Schlarb Verständnis. Ohnehin: Sie, ein Computer-Freak. Da winkt sie kopfschüttelnd ab. Schade, das hätte sich für die Zeitung gut gemacht: 77-Jährige surft wie eine Weltmeisterin. Bloß nicht übertreiben, bittet sie, aber, und das fügt sie dann schon entschieden hinzu: „Zwei Tage mal nicht am PC, keine Mails geschaut? Das geht nicht, das will ich nicht."
Und so ist auch für die Landbewohnerin der Computer und das Internet eine gute und einfache Möglichkeit, Kontakt zu halten mit ihrem Freundeskreis. Einzig: ihr älterer Rechner hat lange Dialogzeiten, jedem Mausklick wird ein gutes Stückchen Geduld abverlangt, bevor es weitergeht. Halb so wild, sie kennt es ja nicht anders. Warum sie den Umgang mit einem PC lernen wollte? Da muss Annerose Schlarb nicht lange nachdenken und nennt den einen Grund, der viele Frauen ihrer Generation betrifft: „Damals habe ich keinen Führerschein gemacht, ein Fehler.

 

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"Ich habe schon keinen Führerschein gemacht,
da wollte ich mir selbst beweisen, dass ich das kann."
Den Umgang mit einem Computer zu lernen, war Annerose Schlarb sehr wichtig.
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Jetzt wollte ich mir beweisen, dass ich wenigstens mit einem Computer umgehen kann." Interessierten, aber PC-ängstlichen Senioren macht sie Mut: „Traut euch ruhig, das ist kein Hexenwerk." genauso klar: Zwingen könne man niemanden.
Die Arbeit an einem solchen Ding müsse Spaß machen. Sie wolle den PC und den damit verbundenen Blick in die Welt nicht mehr missen, sagt die aufgeschlossene Bärweilererin, die ihre Kontakte aber nicht auf die Internet-Mail-Welt alleine beschränken will. „Ich gehe nach draußen, habe im Dorf viele Kontakte. Bei den Dienstagstreffen im Häuschen beispielsweise ist sie, die dreifache Mutter von Beate (50), Andreas (48) und Kerstin (38) und stolze Oma von vier Enkeln und einem Urenkel, immer dabei, gehört auch den aktiven Landfrauen des kleinen Dorfs an.

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